In Polen breitet sich der Hass aus

Sexuelle Minderheiten werden in Ost-Europa massiv ausgegrenzt

In rund einem Drittel des Landes haben sich Kommunen und Woiwodschaften zu „LSBTI-freien Zonen“ erklärt. Homosexuelle sind dort nicht willkommen.
In rund einem Drittel des Landes haben sich Kommunen und Woiwodschaften zu „LSBTI-freien Zonen“ erklärt. Homosexuelle sind dort nicht willkommen.
Die Situation in Polen hat sich weiter zugespitzt, nicht zuletzt auch für Homosexuelle. Die rechts-nationalistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) höhlt den Rechtsstaat aus. Stärke wird auf den Schultern der Schwachen simuliert. In den zurückliegenden Monaten haben sich immer mehr Kommunen, Kreise und Woiwodschaften zu „LSBTI-freie Zonen“ erklärt.

Im Sommer 2017 kam ein junges Pärchen, Maria und Kryzstof, an unseren LSU-Infostand auf dem Christopher Street Day in Hamburg. Die beiden kommen aus Polen, zu der Zeit befanden sie sich auf einer Reise durch Deutschland und waren nur zufällig auf den Hamburg Pride gestoßen. Sie waren begeistert von der bunten Parade und dem breiten gesellschaftlichen Bündnis, das sich hier für Vielfalt und Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten einsetzte. Unvorstellbar, dass sich aktuell etwas vergleichbares in Polen findet. Und vor allem die Beteiligung der CDU imponierte den beiden. Nicht möglich, dass sich die polnische Regierungspartei an einem Pride beteiligt.

Inzwischen hat sich die Situation in Polen weiter zugespitzt, nicht zuletzt auch für Homosexuelle. Die rechts-nationalistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) höhlt den Rechtsstaat aus. Stärke wird auf den Schultern der Schwachen simuliert. In den zurückliegenden Monaten haben sich immer mehr Kommunen, Kreise und Woiwodschaften zu „LSBTI-freie Zonen“ erklärt. Das bedeutet, dass lesbische, schwule, bi-, trans- oder intersexuelle Menschen dort angeblich nicht leben – und auf jeden Fall nicht leben sollen. Die angebliche „LSBTI-Ideologie“ wird abgelehnt. Initiiert wurde diese Kampagne von der rechts-konservativen Zeitung Gazeta Polska, die entsprechende Aufkleber mit durchgestrichenen Regenbogensymbolen verteilen ließ. Zum einen wird damit ein Klima geschaffen, dass Angehörigen sexueller Minderheiten das Leben schwer macht. Zum anderen werden ganz konkret Förderungen für LSBTI-Projekte etwa für Aufklärungs- und Antidiskriminierungskampagnen in Schulen verhindert.

EU-Parlament kritisiert Diskriminierung in Polen

Im Dezember nahm das Europäische Parlament einen Entschließungsantrag eines breiten parlamentarischen Bündnisses an, der die EU-Kommission dazu auffordert, die öffentliche Diskriminierung von LSBTI-Personen zu verurteilen. Auch die Europäische Volkspartei hat diesen Antrag unterstützt. Die Abgeordneten brachten damit ihre tiefe Besorgnis über die wachsende Zahl von Angriffen auf lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle (LSBTI) Menschen in der EU durch Staaten, Staatsbeamte, nationale und lokale Behörden sowie Politiker zum Ausdruck, heißt es in einer Presseerklärung des EU-Parlaments. Jüngste Beispiele seien homophobe Äußerungen während einer Referendumskampagne in Rumänien und Hassreden gegen LSBTI-Bürger im Zusammenhang mit Wahlen in Estland, Spanien, Großbritannien, Ungarn und – insbesondere – die „LSBTI-freien Zonen“ in Polen. „Das Europäische Parlament fordert die polnischen Behörden nachdrücklich auf, diese Handlungen zu verurteilen und alle Entschließungen zurückzuziehen, in denen die Rechte der LGBTI angegriffen werden. Darüber hinaus sollte die Kommission dafür sorgen, dass EU-Mittel nicht für diskriminierende Zwecke verwendet werden.“

Die neue EU-Kommissarin für Gleichstellung Helena Dalli (Malta, Sozialdemokratin) hat im Februar den Umgang Polens mit LSBTI gerügt. Bei einem Treffen der LSBTI-Intergroup des EU-Parlaments sagte sie: „Was mir persönlich am meisten Sorge bereitet, ist die wachsende Zahl von gewaltsamen Übergriffen auf LSBTI. Diese Kommission wird nicht zögern, alles zu tun, was notwendig ist und im Rahmen der Verträge möglich ist.“ Dalli kündigte eine LSBTI-Equality-Strategie der EU an, mahnte aber auch, dass die Rechte von LSBTI nicht von der EU-Kommission allein verteidigt werden können – es brauche dazu auch die Mitarbeit der Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft.

Partnerschaften nutzen, Haltung zeigen!

Etwa zur selben Zeit verbreitete sich in der europäischen LSBTI-Community der Aufruf, die Lage in Polen bei den hiesigen Partnerstädten all jener polnischen Städte und Regionen zu thematisieren, die sich zu „LSBTI-freien Zonen“ erklärt haben. Die Community fordert die deutschen Partnerstädte auf, diese Städtepartnerschaften auszusetzen. Niedersachsens LSU-Landeschef sagt dazu aber: „Wir wollen die Städtepartnerschaften nicht beenden, wir wollen den Dialog nicht abreißen lassen. Im Gegenteil: Wir wollen die guten Beziehungen nutzen. Unser Motto lautet: Städtepartnerschaften nutzen, Haltung zeigen!“

Niedersachsen pflegt eine Vielzahl von Städtepartnerschaften mit polnischen Städten. Nur eine davon liegt aber in einer „LSBTI-freien Zone“ – Wielun. Wieluns Partnerstadt in Niedersachsen ist der Flecken Adelebsen im Landkreis Göttingen. „Anfang März haben wir Adelebsens Bürgermeister und der CDU-Vorsitzenden einen Brief geschrieben und über die Situation informiert. Wir appellieren an die Entscheidungsträger, die Entwicklung ernst zu nehmen und nun zu handeln. Als LSU bieten wir dazu natürlich unsere Unterstützung in inhaltlichen Fragen an.“
In diesem Zusammenhang nahm die Niedersachsen-LSU auch zu Unterstützern in der Landespartei Kontakt auf. CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer reagierte schnell mit einem öffentlichen Statement auf Twitter. Am 4. März schrieb er: „Die jüngst in #Polen ins Leben gerufenen ‚#LSBTI-freien Zonen‘ widersprechen unseren europäischen Werten. Wir stehen für eine vielfältige und offene Gesellschaft und werden solchen Diskriminierungen in ganz Europa entgegentreten.“

Innerhalb der LSU nahm sich in besonderem Maße der saarländische Landesverband dieser Thematik an. Mit einer ausgeprägten Öffentlichkeitsarbeit gelang es unseren Freunden an der Saar, die polnische Problematik einem größeren Publikum präsent zu machen. So gelang es ihnen, dass sich die im Saarland regierende große Koalition gemeinsam gegen die Politik in Polen positionierte. Herman Scharf, sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, bat zudem Außenminister Heiko Maas (seines Zeichens auch Saarländer) um Unterstützung. Armin König, Bürgermeister der saarländischen Gemeinde Illingen, schloss sich der LSU-Kampagne an und verurteilte das Vorgehen seiner polnischen Partnergemeinde Tuchow. „Ist es nicht merkwürdig, dass eine kleine Gemeinde in Frankreich (Saint-Jean-de-Braye – wo man im Februar beschlossen hatte, die Partnerschaft mit Tuchów zu beenden, Anm. d. Red.) mit ihrem Bürgermeister, eine kleine Gemeinde im Saarland und eine couragierte polnische Bürgermeisterin endlich Bewegung gegen die PiS-Kampagne bringen, während die ‚grosse Politik‘ etwa in der EVP im Europaparlament bisher nicht in der Lage war, die rechtslastigen Aktivitäten zu ächten?“, sagte König gegenüber dem Mannschaft Magazin.

Dazu äußerte sich auch der Landesvorsitzende der LSU Saar, Thomas W. Schmitt: „Diese Art von Beschlüssen, die in den kommunalen Räten Polens entweder ‚zum Schutz der Rechte von Familien‘ oder gegen die Verbreitung der sogenannten ‚LGBT-Ideologie‘ gefasst werden, untergraben die Würde, Freiheit und Gleichbehandlung von LSBTI und stellen ihr Menschsein an sich in Frage. Unser Werteverständnis als LSU und als CDU lässt es nicht zu, dass wir hier sprachlos bleiben und nicht handeln. Deshalb danken wir Armin König für sein couragiertes Vorgehen! Großes entsteht eben doch sehr oft zunächst im Kleinen.“

LSU beschloss im Oktober Resolution zu Polen

Dabei steht die Lage in Polen spätestens seit der Bundesmitgliederversammlung im Oktober auf der politischen Agenda der LSU. Als niedersächsischer Landesverband haben wir eine Resolution zur Situation in Polen und Ost-Europa eingebracht, der die Mitgliederversammlung folgte. Darin heißt es: „Die LSU verurteilt die fortgesetzte Verletzung der Rechte von LSBTI durch die polnische Regierung und die sie tragende Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit). Die Bundesmitgliederversammlung fordert den Bundesvorstand auf, alle ihm möglichen Schritte zu unternehmen, um die CDU-Führung verstärkt für die Problematik zu sensibilisieren und sich auf europäischer Ebene für die Fortsetzung und/oder Einleitung entsprechender Maßnahmen zur Achtung der LSBTI-Rechte durch die polnische Regierung einzusetzen.“

Die LSU in Niedersachsen legte damals schon vor, indem wir unserem Ehrenmitglied, der heutigen EU-Kommissionspräsidentin Dr. Ursula von der Leyen in einem Brief die Lage in Polen schilderten. An dieser Stelle sei aber angemerkt, dass von der Leyen mit Antritt des neuen Amtes all ihre Parteiämter niedergelegt hat, um die Neutralität zu wahren. Wir sind dennoch überzeugt, dass die Kommissionspräsidentin auch im neuen Amt die Belange der LSBTI im Blick behält.

Konkrete Vorschläge, wie die EU-Kommission nun handeln sollte, unterbreitet derweil die European Centre-Right LGBT+ Alliance. Zum einen fordert der europäische Zusammenschluss konservativ-bürgerlicher LSBTI-Parteigruppen (wie der LSU), dass die EU endlich die fünfte Antidiskriminierungsrichtlinie annehmen soll. Doch hier scheitert die Ratifizierung seit 2008 an Deutschland – an der CDU/CSU-Fraktion (siehe Kasten). Zum anderen fordert die Alliance, die finanzielle Förderung durch EU-Mittel für jene Staaten zu unterbinden, die sexuelle Minderheiten diskriminieren. Polen und auch Ungarn wären davon betroffen.

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