Anfang des Jahres hat die Stadtverwaltung ein Gutachten zur Rechtmäßigkeit der 2019 eingeführten geschlechtergerechten Verwaltungssprache öffentlich gemacht. Die beauftragte, in Sachen Geschlechterstudien einschlägig bekannte Juristin, die 2020 auf Vorschlag der Linksfraktion ins Berliner Landesverfassungsgericht gewählt worden war, kommt zu dem Ergebnis, dieser Schritt sei nicht nur rechtmäßig, sondern gleichsam durch das Grundgesetz geboten.
Auch wenn die Argumentation des Gutachtens sicher nachvollziehbar ist, so ist seine Provenienz sicher bemerkenswert. Und wie so oft gilt natürlich auch hier, dass damit nicht die letzte, absolute Wahrheit ausgesprochen wurde. So kontrovers – manchmal fast religiös – wie das Thema „gendergerechte Sprache“ bereits diskutiert wurde, gibt es inzwischen zahllose Beiträge namhafter Personen aus allen Professionen – zuletzt äußerte sich gerade erst Navid Kermani in einem Essay für die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ sehr ausführlich und lesenswert zum Thema. Und so gibt in der Tat bereits juristische Gutachten, die zu einem anderen Ergebnis kommen als das hannoversche. Drei Juristen, vier Meinungen, so ist es halt. Das sinnvolle Ziel, zweifellos bestehende Diskriminierungen abzubauen, sollte aber nicht zu einem Kampf der Gutachten werden.
Ob der Ansatz, dem (für die allermeisten juristisch nicht geschulten Menschen ohnehin schon schwer verständliche) Amtsdeutsch eine Vorreiterrolle einzuräumen, der richtige ist, halte ich jedoch für sehr fraglich. Sprache hat sich immer entwickelt und verändert und wird dies auch weiterhin tun – von unten nach oben. Dass lange marginalisierte Gruppen in letzter Zeit vermehrt ihre Stimmen erheben und so fällige Diskussionen anstoßen, leistet hier einen wichtigen Beitrag zur notwendigen Sensibilisierung. Ein hoheitlicher Verwaltungsakt kann und sollte diesen Diskurs aber nicht ersetzen.
Ich habe zudem Sorge, dass dem berechtigten Anliegen ein Bärendienst erwiesen wird. Sprache ist für den Menschen mehr als nur eine „Ordnungsfunktion“, wie das Gutachten meint. Sie stiftet Identität und ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Wenn Sprache also inklusiv sein soll, dann darf sie die gesamte Breite der Gesellschaft nicht aus dem Blick verlieren. Stellt sich nun aber bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung das Gefühl ein, hier solle staatlicherseits aus ideologischen Gründen in ihren Alltag eingegriffen werden, kann dies zum Gegenteil von Akzeptanz und Toleranz führen. Ablehnung wird sich dann aber nicht nur gegen die Behörden richten – schlimm genug in diesen Zeiten – sondern schlimmstenfalls gegen eben jene ohnehin marginalisierten Gruppen. Das kann in Niemandes Interesse sein.
Und, wie schreibt Kermani zudem so treffend: „Wir sind nicht eindeutig, niemand von uns, weder ethnisch noch kulturell, weder psychologisch noch geschlechtlich (…).“ Ein schöner Ansatz.